Kontemplatives Beten
Das kontemplative Beten ist:
Gebet in Stille: Wenn wir Klarheit für unser Leben brauchen, suchen wir oft instinktiv Zeiten und Orte der Stille. Hier können sich innere Dinge sortieren und klären. Jesus selbst geht immer wieder in die Stille. Er sucht die Wüste, den Gipfel eines Berges, einen Garten, einen Platz am See, den Tempel oder die stille Kammer seines Hauses auf.
Gottesgegenwart: Im stillen Gebet mit dem Namen "Jesus Christus" richten wir uns auf seine Person aus, seine unsichtbare, aber wirksame Gegenwart. Gott ist der „Ich bin da" (Ex 3,14), aber wir können seine Gegenwart oft nicht wahrnehmen. Wir üben uns darin ein, unsere Aufmerksamkeit auf diese Gegenwart zu richten und uns darin zu verankern. Wir lernen, „auf den zu schauen, der nach uns schaut" (Gen 16,13-14).
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit: Das kontemplative Gebet führt uns weg von den Zerstreuungen unseres Lebens, hin zu mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen, uns selbst und gegenüber der Schöpfung. Es leitet hin zu einem erfüllteren Leben im Hier und Jetzt. Wie die Lilien auf dem Feld und die Vögel am Himmel versuchen wir, überzogene Sorgen um das Morgen loszulassen und zuerst das Reich Gottes zu suchen, mit dem alles andere geschenkt wird (Mt 6,25-34).
Sehnsucht: In jedem Menschen liegt eine Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Heimat, nach Gemeinschaft. Es gibt eine tiefe Sehnsucht nach Beziehung, nach „dem, den meine Seele liebt" (Hld, 3,1). Es ist die Suche nach Sinn und einem gelingenden Leben, nach der kostbaren Perle und dem Schatz im Acker, von der Jesus spricht (Mt 13,44-46).
Weg zur Quelle: Der Weg zur inneren Mitte und Quelle unseres Lebens führt über die Stille. „Das Wasser, das ich geben werde, wird im Menschen zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt" (Joh 4,14). Im innersten Bezirk unserer Seele will diese Lebensquelle gefunden werden und sich zum Lebensstrom entfalten (Ez 47,1-12). Aus dieser Quelle werden all unsere Ressourcen gespeist.
Atem und Geist: Indem wir auf unseren Atem achten, erfahren wir uns als bezogen auf eine Lebensquelle, die leise und unmerklich wirksam ist. Der Atem wird uns geschenkt und geschieht, ohne dass wir daran denken oder etwas dafür tun müssen. Der Atem ist einfach da und gibt Leben. Die Bibel beschreibt den Atem als Gleichnis für den Heiligen Geist und bezeichnet ihn als Lebensatem Gottes. „Gott blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen" (Gen 2,7). „Jesus haucht sie an und sprach: „Empfangt den Heiligen Geist" (Joh 20,22).
Erholung: Das kontemplative Gebet ist zweckfrei und zielt nicht auf Leistung und Erfolg. Wir dürfen wahrnehmen, was ist - und das genügt. Wir müssen nichts erreichen. Im kontemplativen Gebet dürfen wir in Gott ruhen und zu uns kommen. Wir dürfen so sein, wie wir sind. Wer betet, gönnt sich den Geber alles Guten. „Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun?" (Sir 14,5).
Leib und Seele: Im kontemplativen Gebet erfahren wir zunehmend, dass wir als ganzer Mensch mit Gott in Beziehung stehen, mit Leib, Seele und Geist. Der kontemplative Weg weckt das Bewusstsein und lässt erfahrbar werden, dass unser Leib Tempel Gottes ist, in dem der Heilige Geist wohnt (1 Kor 6,19). Dieses Bewusstsein führt auch zu tieferer Wertschätzung der leiblich-emotionalen Seite unseres Menschseins.
Versöhnung und Heilung: Beten macht uns authentischer und feinfühliger. Das feinere Gespür für unsere innere Verfasstheit bringt uns auch in Kontakt mit dem, was verletzt und verwundet in uns ist. Es braucht unsere Bereitschaft, zu verzeihen und schmerzliche Erinnerungen und Erfahrungen nochmals in Gottes heilender Gegenwart durchzugehen. So kann sich nach und nach eine wachsende, befreiende Versöhnung mit unserem Leben, unserer Lebensgeschichte, ereignen. Die Verhärtungen und Versteinerungen unseres Herzens können den Lebenspuls wieder spüren und aufnehmen (Ez 36,26-28).
Frieden: Die versöhnende Wirkung des Betens entfaltet sich nicht nur an uns selbst, sondern auch über uns hinaus und wirkt verborgen in unsere Welt hinein. Indem wir uns selbst im Gebet von Gott ordnen und in sein Heilswirken hineinnehmen lassen, öffnen wir Räume für diese befriedende Kraft des Gebetes.
Gemeinschaft und Eucharistie: Im gemeinsamen Beten und Meditieren mit dem Namen "Jesus Christus" erfahren wir uns als Gemeinschaft um Jesus, als Leib Christi (1 Kor 12,27). Diese Erfahrung findet ihren besonderen Ausdruck und verdichtet sich in der Feier der Eucharistie. Augustinus drückt dies in einem Wort zum Kommunionempfang prägnant aus: „Empfangen wir, was wir sind: Leib Christi. Werden wir, was wir empfangen: Leib Christi". Kontemplatives Gebet und Feier der Eucharistie weisen in dieselbe Richtung.