Beten mit dem Namen Jesus Christus
Formen des stillen Gebetes, der Meditation gibt es in allen religiösen Traditionen. Das christliche kontemplative Gebet ist begleitet von Hingabe und Liebe und lässt diese wachsen. Es ist ein beziehungsorientiertes Gebet in der Ich-Du-Beziehung zwischen Beter:in und Gott, geprägt von der Ausrichtung auf Jesus Christus, der „Weg, Wahrheit und Leben" (Joh 14,6) ist.
Die Tradition
Das Beten mit dem Namen „Jesus Christus" ist eine Gebetsweise, die seit langer Zeit im Christentum praktiziert wird. Die Wurzel ist das sogenannte Ein-Wort-Gebet der Wüstenväter und Wüstenmütter, die im vierten Jahrhundert in der ägyptischen Wüste und in Palästina lebten. Johannes Cassian brachte diese Gebetsweise nach Westeuropa. Eine weitere Verbreitung fand sie später von Ägypten über den Athos im osteuropäischen Raum und verband sich mit dem Jesusnamen.
Ignatius von Loyola
In der „Dritten Weise" zu beten, die der Hl. Ignatius von Loyola in seinem Exerzitienbuch als eine Weise des Betens beschreibt, klingt diese Gebetstradition an. Bei Ignatius wird die Aufmerksamkeit auf den Atemrhythmus, auf ein einfaches Gebetswort, das im Atemrhythmus wiederholt wird, und auf die Beziehung zwischen Beter:in und Gott gerichtet (Exerzitienbuch Nr. 258). Eine entsprechende Sitz- bzw. Köperhaltung unterstützt dabei die innere Sammlung des Meditierenden (Nr. 252).
Die Wegschritte nach Franz Jalics SJ
Diese Gebetsweise wurde durch P. Franz Jalics SJ für unsere heutige Zeit weiterentwickelt und durch konkrete (Übungs-)Anleitungen präzisiert. Dabei werden auch klare Hilfestellungen gegeben, mit Schwierigkeiten des Betens umzugehen. Für uns ist diese Art der Hinführung zum kontemplativen Gebet Grundlage und Orientierung für unsere Kursangebote.
Die Kirche
Der Weltkatechismus der Katholischen Kirche (vgl. dort 2666-2668; 2688f) gibt ausdrücklich eine Empfehlung zu einer Gebetskatechese und Meditationsgruppen mit dem „Jesusgebet".
Die Form
Die beständige, aufmerksame und liebevolle Anrufung des Namens „Jesus Christus" in einer ruhigen Sitzhaltung in Stille, verbunden mit dem Rhythmus des Atems und der Wahrnehmung der Hände, hilft unsere Aufmerksamkeit zu verankern und uns tiefer in Kontakt mit der Gegenwart Gottes und dem Göttlichen in uns zu erfahren.
Der Name
Wenn wir aufmerksam den Jesusnamen innerlich anrufen, begeben wir uns selbst in seine Gegenwart und öffnen uns für seine Kraft. Im Namen „Jesus Christus" ist die ganze Person Jesu präsent. Wir richten uns auf seine Person aus, treten mit ihm in Beziehung. Der auferstandene Christus ist in unsichtbarer Weise gegenwärtig und wirksam. Indem wir uns diesem Namen zuwenden, treten wir in einen ungeahnt neuen Beziehungsraum, der sich uns erschließen will. „In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt." (Eph 3,17-19).
Die Heilige Schrift
Das Jesusgebet erschließt uns ein tieferes Verständnis der Heiligen Schrift. Die Vertrautheit mit der Bibel macht die Begegnung mit Jesus Christus im stillen Gebet lebendiger.
Kontemplatives Beten ist...
Gebet in Stille
Wenn wir Klarheit für unser Leben brauchen, suchen wir oft instinktiv Zeiten und Orte der Stille. Hier können sich innere Dinge sortieren und klären. Jesus selbst geht immer wieder in die Stille. Er sucht die Wüste, den Gipfel eines Berges, einen Garten, einen Platz am See, den Tempel oder die stille Kammer seines Hauses auf.
Gottesgegenwart
Im stillen Gebet mit dem Namen „Jesus Christus" richten wir uns auf seine Person aus, seine unsichtbare, aber wirksame Gegenwart. Gott ist der „Ich bin da" (Ex 3,14), aber wir können seine Gegenwart oft nicht wahrnehmen. Wir üben uns darin ein, unsere Aufmerksamkeit auf diese Gegenwart zu richten und uns darin zu verankern. Wir lernen, „auf den zu schauen, der nach uns schaut" (Gen 16,13-14).
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
Das kontemplative Gebet führt uns weg von den Zerstreuungen unseres Lebens, hin zu mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen, uns selbst und gegenüber der Schöpfung. Es leitet hin zu einem erfüllteren Leben im Hier und Jetzt. Wie die Lilien auf dem Feld und die Vögel am Himmel versuchen wir, überzogene Sorgen um das Morgen loszulassen und zuerst das Reich Gottes zu suchen, mit dem alles andere geschenkt wird (Mt 6,25-34).
Sehnsucht
In jedem Menschen liegt eine Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Heimat, nach Gemeinschaft. Es gibt eine tiefe Sehnsucht nach Beziehung, nach „dem, den meine Seele liebt" (Hld 3,1). Es ist die Suche nach Sinn und einem gelingenden Leben, nach der kostbaren Perle und dem Schatz im Acker, von der Jesus spricht (Mt 13,44-46).
Weg zur Quelle
Der Weg zur inneren Mitte und Quelle unseres Lebens führt über die Stille. „Das Wasser, das ich geben werde, wird im Menschen zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt" (Joh 4,14). Im innersten Bezirk unserer Seele will diese Lebensquelle gefunden werden und sich zum Lebensstrom entfalten (Ez 47,1-12). Aus dieser Quelle werden all unsere Ressourcen gespeist.
Atem und Geist
Indem wir auf unseren Atem achten, erfahren wir uns als bezogen auf eine Lebensquelle, die leise und unmerklich wirksam ist. Der Atem wird uns geschenkt und geschieht, ohne dass wir daran denken oder etwas dafür tun müssen. Der Atem ist einfach da und gibt Leben. Die Bibel beschreibt den Atem als Gleichnis für den Heiligen Geist und bezeichnet ihn als Lebensatem Gottes. „Gott blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen" (Gen 2,7). „Jesus haucht sie an und sprach: „Empfangt den Heiligen Geist" (Joh 20,22).
Erholung
Das kontemplative Gebet ist zweckfrei und zielt nicht auf Leistung und Erfolg. Wir dürfen wahrnehmen was ist - und das genügt. Wir müssen nichts erreichen. Im kontemplativen Gebet dürfen wir in Gott ruhen und zu uns kommen. Wir dürfen so sein, wie wir sind. Wer betet, gönnt sich den Geber alles Guten. „Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun?" (Sir 14,5).
Leib und Seele
Im kontemplativen Gebet erfahren wir zunehmend, dass wir als ganzer Mensch mit Gott in Beziehung stehen, mit Leib, Seele und Geist. Der kontemplative Weg weckt das Bewusstsein und lässt erfahrbar werden, dass unser Leib Tempel Gottes ist, in dem der Heilige Geist wohnt (1 Kor 6,19). Dieses Bewusstsein führt auch zu tieferer Wertschätzung der leiblich-emotionalen Seite unseres Menschseins.
Versöhnung und Heilung
Beten macht uns authentischer und feinfühliger. Das feinere Gespür für unsere innere Verfasstheit bringt uns auch in Kontakt mit dem, was verletzt und verwundet in uns ist. Es braucht unsere Bereitschaft, zu verzeihen und schmerzliche Erinnerungen und Erfahrungen nochmals in Gottes heilender Gegenwart durchzugehen. So kann sich nach und nach eine wachsende, befreiende Versöhnung mit unserem Leben, unserer Lebensgeschichte, ereignen. Die Verhärtungen und Versteinerungen unseres Herzens können den Lebenspuls wieder spüren und aufnehmen (Ez 36,26-28).
Frieden
Die versöhnende Wirkung des Betens entfaltet sich nicht nur an uns selbst, sondern auch über uns hinaus und wirkt verborgen in unsere Welt hinein. Indem wir uns selbst im Gebet von Gott ordnen und in sein Heilswirken hineinnehmen lassen, öffnen wir Räume für diese befriedende Kraft des Gebetes.
Gemeinschaft und Eucharistie
Im gemeinsamen Beten und Meditieren mit dem Namen „Jesus Christus" erfahren wir uns als Gemeinschaft um Jesus, als Leib Christi (1 Kor 12,27). Diese Erfahrung findet ihren besonderen Ausdruck und verdichtet sich in der Feier der Eucharistie. Augustinus drückt dies in einem Wort zum Kommunionempfang prägnant aus: „Empfangen wir, was wir sind: Leib Christi. Werden wir, was wir empfangen: Leib Christi". Kontemplatives Gebet und Feier der Eucharistie weisen in dieselbe Richtung.